Von Blütenstaub auf Betonstraßen - Hochsensitiv in dieser Welt

Die Welt immer wieder ein wenig zu grell, ein wenig zu laut, ein wenig zu viel. Oft schwer zu ertragen. Und manchmal unerträglich.

Meine Haut zu dünn irgendwie, wie Seidenpapier, ich zu offen der Welt gegenüber, als würde Sand aus mir herausrieseln. Oder der Sand der Welt ständig in mich hineinrieseln.

Und die anderen Menschen, die nicht verstehen, manchmal ablehnen, manchmal staunend oder fragend vor mir stehen. Was ist so schwer mit dieser Welt?

Der Boden, der trägt. Der Horizont für Ausblicke. Der Himmel zum Hoffen. Sagt ihr.

Ihr seht Linien, wo keine sind. Begrenzungen, die nicht existieren. Nicht für mich. Ich habe Sehnsucht nach solchen Linien zum Anlehnen, zum Daran-Festhalten, nach Geländern für Halt.

Das Einfache ist schwer für mich. Das Alltägliche. Das, worüber ihr nicht nachdenkt, woran ihr vorbeigeht, was ihr einfach tut.

Manche Geräusche wie Schmerz, manche Farben wie ein Messer, manche Gerüche wie eine Falltür. Was ihr schmackhaft findet, ist mir zu eindringlich, manche Gewürze wie Neonlicht im Essen. Ihr findet vielleicht langweilig, was ich esse. Aber wenn die Welt da draußen ständig zu grell ist, brauche ich nicht noch mehr Neonlicht. Wenn ich das Pure esse, beruhigt sich die Welt in mir und ich mich.
Ich brauche wenig, um das Viele zu sein. Und suche die Stille, um aufzuatmen, um leer zu werden. Nicht um zu meditieren oder erleuchtet zu werden, sondern um mich wiederzufinden. Denn manchmal gehe ich einfach verloren in all der Grellheit, in dem vielen Sichtbaren und Unsichtbaren, in dem, was alles auf uns einstürzt, ob wir es wollen oder nicht.

Stille als Offenbarung des Kerns der Welt. Ohne all das Drumherum, das Getöse, das verhindert Mensch zu sein.

Ich gehe ohne Mantel. Das war nicht geplant. Glaube ich zumindest. Haut an Haut mit der Welt. Der Herzschlag der Erde, der Atem des Himmels.

Manchmal wird der Schmerz zu groß, die Welt zu viel, die Erwartungen an mich vernichtend. Ich will dann normal sein, unauffällig, unkompliziert, einfach mal so durch die Welt gehen, ohne dieses existentielle Erschrecken, ohne die dauernde Überforderung. Will ich das wirklich? Oder ist es meine Angst, die mich auffordert mich anzupassen, um keine Zumutung für die anderen zu sein?

Wie gehe ich durch die Welt, wenn ich vergessen habe die Flügel abzulegen? Wenn ich woanders zu Hause bin als hier? Und diese Erinnerung immer bei mir geblieben ist? Wenn der Körper wie eine zu enge Hülle scheint? Und das Leben wie eine Zumutung? Wenn die Sehnsucht nach anderen Farben zu groß wird? Wenn alles zu bedrängend ist?

Und mit wem kann ich diese Fragen teilen? Wer versteht, was es bedeutet sich täglich ein wenig aufzulösen und jeden Morgen neu in einen Körper zu steigen, der immer ein wenig fremd blieb? Wer weiß, dass das Unsichtbare einem näher sein kann als das Sichtbare? Und dass man durch den Boden einfach hindurchfallen kann, dass der Horizont etwas öffnet, was für menschliche Augen zu groß scheint, und dass der Himmel jeden Tag anders atmet?

Ich gehe, gehe langsam, immer neu, jeden Tag. Gehe mit all der Angst, all dem Zorn, all der Trauer. Hier auf der Erde leben und irgendwie nicht dafür ausgestattet sein.

Tastend nach dem Boden unter mir, dem Himmel über mir, tastend nach Wänden, nach Mauern, nach dem, was trägt, was hält. Und zerrinne wieder und wieder, die Welt zerrinnt mir, ich zerrinne mir. Menschsein.

Manchmal will ich nur fliehen, davonlaufen, einfach fort sein. Wenn ich es nicht mehr schaffe, der Welt standzuhalten, mich mir selber zuzumuten. Es gibt viele Fluchtwege. Dann will ich mich verstecken, mich verkriechen, für immer in einer Höhle bleiben, um all das nicht mehr zu ertragen, was zuviel ist. Wissend, dass ich hier bin, um der Welt etwas zu geben, dass es meine Aufgabe ist, da zu bleiben, trotz allem und nicht zu fliehen.

Es braucht den Willen und den Mut, mich immer erneut in diese Welt hineinzustellen, ihr entgegenzutreten, ihr zu begegnen. Auch wenn es so schwer ist, so unerträglich immer wieder. Auch wenn ich mich immer wieder so fremd fühle, so anders.

Ich will kämpfen und weiß, dass ich vertrauen muss. Denn man kann mit Flügeln durch diese Welt gehen und die Geschenke übergeben, die man mitgebracht hat.

Ich wage es. Wage es täglich neu. Steige über den Grat meiner Angst.

Denn es gibt eine Brücke, zwischen dem Herzschlag der Erde und dem Atem des Himmels – das ist der Mensch.